Lyrik in Hochsprache

In meinem ersten Buch "Ins Heimatmuseum" findet sich noch ein ganzes Kapitel Lyrik in Hochsprache: Es handelt sich um Reise- und Studienerinnerungen als 30-jähriger oder die typischen Versuche, innere Stimmungen wiederzugeben. Seitdem habe ich nie aufgehört, Lyrik in Hochsprache für mich, für Freunde und gelegentlich für Wettbewerbe oder Veröffentlichungen zu schreiben. Außerdem lese ich intensiv hochdeutsche oder übersetzte moderne wie frühere Lyrik und finde Anregungen oder werde zur Nachahmung verführt. Die "Hymne auf das Walldorfer Kreuz" ist unverkennbar ein Versuch im Goethe-Ton. Manche Themen, die mir am Herzen lagen, entpuppten sich auch als ungeeignet für die Wiedergabe in Mundart. In den Bänden "Besser wie nix" und "Isch doch wohr" sind deshalb einzelne hochdeutsche Gedichte und Lieder eingerückt, die zur Mundart passen sollten. Möglicherweise kommt einmal genug Lyrik in Hochsprache für eine eigene Publikation zusammen.


Hymne auf das Walldorfer Kreuzfuturistischer LKW

Wie im Morgenglanze'
Du rings mich anglühst,
Zehntausendfach
Sich an meine Stimme drängen
Deine immerwährenden Gase.

Unablässig säuseln deine Töne
An mein Ohr.
Unendliche Ströme
Fließen ewig dahin.
Ich möcht' dich umfassen,
Walldorfer Kreuz.

Ach, bei dir steh ich, schmachte,
Und deine Bahnen, deine Schilder
Drängen sich an mein Herz.
Liebliche Lichthupen blitzen.

Wer aber röhrt dort im sanften Gefälle?
Ich komm'! Ich komme!
Wohin? Ach, wohin?

Hinauf strebt's nach Nürnberg
Oder schwebt's abwärts gen Frankfurt.
Das heiter gebaute
Mannheim ist nah. Oh Fernweh,
Oh Alpen, Basel noch weit. (227km)

Ikea und Letzenberg grüßen freundlich.
Nicht nach steht ihnen
Das Holiday Inn. Günstiger
Aber ist's am Hardtwald zu rasten.
Dahin, dahin, Geliebte, möchte' ich mit dir ziehn.

Wer aber wagt es? Umfahren,
Umfahren ist bald schon die Losung.
Doch noch bist Du nicht dicht,
Oh mein Walldorfer Kreuz.

aus dem Buch "Ins Heimatmuseum"



Zwischen den Liedern (September)
(aus dem Zyklus "Spurrillen - Monatsgedichte 2002")

Die Haut juckt noch vom Duschen des Sommers.
Die Sekunden zwischen den Liedern
genießen. Wir wissen was kommt.
Alte Kassetten stapeln sich überall.

Auf welcher Seite des Zauns stehen wir
am Motodrom, im Wald, an der Schule?
Als ob Entscheidungen nicht auch
ohne Wahl fallen könnten.

Dampf verlängert die Türme von Philippsburg.
in den Himmel. Eine Stelle, da suchen sie
den Vergleich mit dem Dom.
Beide regieren den Fluss, unsere Brücke zu den Bergen.
Große Namen als Nachbarn
entschädigen für Ampeln überall.

Kies, Kanäle, Ruinen. Der berühmte Park
hinterm Schloss für uns. Nur Erinnerungen bitte,
sagst du, keine Erklärungen. Schau,

ein Eichhörnchen huscht
durch das Ende der Welt.





Der Schnitt (Oktober)

Zeit einen Schnitt zu machen, es bleiben
violette Astern oder Tabakblätter
in Plastiktunneln. Nutzlos die alten
schwarzen Hochhausschuppen.

Herbst taut auf die Luft der Kindheit.
Fußball, nasses Grass,
Dicke Hosen, schwere Schuhe,
die Teppichstange, dahinter
jubeln dauernd die Brennnesseln.

Gesichter, die sich nicht mehr verändern werden
in der Fotoecke.
Beim Füllen der Kaffeemaschine plätschert
die Erinnerung an einen Menschen,
beim Rasenmähen schiebt ein anderer mit.
Manches geht zu Ende ohne den schnellen Schnitt.
Die langen Schatten am Abend,
wenn in die Vergangenheit gehofft wird.

Die Nächte leuchten,
der Morgen weint alles wieder gut.

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